Zahlen

HG: 67kg BMI: 25,8
TG: 38kg BMI: 14,7

Dienstag, 1. Oktober 2013

Wieso ich?

Wenn ich über mich nachdenke, dann bin ich enttäuscht, weil aus mir nicht das geworden ist, was ich und andere erwartet haben. Es gab kein genaues Wunschbild von mir. Niemand hat gesagt so und so muss ich sein und das und das hab ich zu leisten. Im Gegenteil mir standen alle Türen offen und ich habe die falsche gewählt. Das macht mich traurig. Ich wäre gerne jemand anderes bzw. würde gerne vieles an mir verändern. Aber wo anfangen, wenn man gar kein Ziel vor Augen hat?
Hätte mir jemand vor nem Jahr gesagt, wie ich heute drauf bin, hätte ich gelacht und ihn für verrückt erklärt. In meiner Familie war es ein gängiger Witz, dass jemand ironischer Weise sagte, dass ich magersüchtig sei. L., wäre die letzte Person die magersüchtig wird. Dafür isst sie doch viel zu gern! Ja, das habe auch immer von mir gesagt, wenn Oma wieder verdutzt schaute, weil ich ausnahmsweise mal kein Eis wollte.
Sie haben recht behalten. Ich bin nicht magersüchtig. Ich bin jetzt bulimisch. Aber niemand reißt jetzt mehr den Witz, dass ich das Essen zu sehr liebe. Alles ist jetzt anderes. Sie schauen besorgt und fragen, ob ich magersüchtig werde oder genug esse. Sie loben mich für die tolle Abnahme und niemand sagt mehr Dickerchen.
Unbemerkt hat sich die Bulimie immer weiter in mich reingefressen und mein Leben komplett verändert. Auch mein Umfeld ist teilweise anders zu mir. Die Mädchen die mich nie beachet haben reden plötzlich über und mit mir über mein Abnehmen. Die Leute sehen mich anders. Sie sehen mich jetzt als besser an und loben mich für meinen Ehrgeiz und das gute Ergebnis. Du bist richtig dünn geworden. Daumen hoch! - L., du hast richtig geile Beine. - Du siehst jetzt richtig gut aus!
Aber sie schauen auch komisch an mir herunter. Neid? Sorge? Verwunderung? Meine Freundinnen sagen nie was dazu. Die akzeptieren mich so wie ich bin. Manchmal frage ich mich, ob sie untereinander darüber reden. Beschäftigen tut es sie bestimmt, da bin ich mir sicher.
In meiner Familie hat sich nicht groß was geändert. Meine Mutter lässt mich nach wie vor in meiner Welt verkümmern. Ihr ist zwar aufgefallen, dass ich sichtbar weniger werde, aber stören tut es sie nicht groß. Gleiches Spiel bei meinem Vater. Nur meine Schwester ist anders. Sie schaute schon bei 54kg besorgt an mir herunter und meinte, ich müsse aufpassen. Ob sie was ahnte? Ich trau mich nicht mehr, allein mit ihr irgendwo zu sein. Ich will nicht darauf angesprochen werden. Von keinem. Ich muss dann in sekundenschnelle meine zurecht gelegten Ausreden und angeblichen Methoden zum Abnehmen abliefern. Das verunsichert mich.
Andererseits wünsche ich mir, dass irgendwann jemand kommt, mich knallhart darauf anspricht und keine Ausreden gelten lässt. Ich will keine Hilfe und doch wünsche ich mir nichts anderes, als das jemand erkennt, wie ich jeden Tag still leide und immer mehr in den Abgrund stürze.
Ich hab keine Kraft mehr allein da rauszukommen. Ich hab nichtmal mehr die Kraft dazu die Hand auszustrecken, damit sie jemand ergreifen kann. Aber da spielt auch die Angst mit. Was ist, wenn niemand nach meiner Hand greift oder sie wieder los lässt? In meinem Kopf spuken lauter Ängste,Wünsche, Hoffnungen und Aggressionen rum, die ich keinem erzählen kann. Ich bin nicht allein. Aber ich bin einsam im Innern.

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