Willkommen zurück, Bulimie.

Ich schüttel die wärmsten die Hand und bin dankbar, dass du so treu an meiner Seite bleibst, egal was ist. Du bist immer für mich da. Machst keinen Unterschied, ob es mir gut geht oder ich am Boden zerstört bin. Spätestens am Abend legst du deine schützenden Arm um mich und führst mich weg von all dem Scheiß. Leider ist dieser freundschaftliche Akt so anstrengend für dich, dass du dich danach erstmal verpisst und mich dann doch allein lässt in meinem Elend. Aber hey, ich bin dir nicht böse. Bist doch mein ein und alles. Warst doch niemals fort. Die Magersucht, die hat mich verlassen. Die war doch nie richtig da für mich, aber du.. Ja, du warst selbst in den schlimmsten Zeiten da. Hättest mich sogar bis in den Tod begleitet.
Ich weiß gar nicht, wie es eine zeitlang ganz ohne dich ausgehalten hab oder dich in Schach halten konnte. Jetzt, wo du wieder so präsent bist, da kann ich mir es schon nach kurzer Zeit gar nicht mehr ohne dich vorstellen. Verrückt. Verrückt, dass es mich unheimliche Kraft kostet mich mal aus deiner Umklammerung zu befreien und es dir so leicht fällt mich sofort zurückziehen, wenn ich mich zu sehr entferne. Du warst nie weg. Nie. Es war naiv das von mir das zu glauben. Du hast einfach abgewartet. Still gelauert, wie ein Löwe auf Beutezug und zugeschnappt, als du die Möglichkeit sahst.
Meine Liebe, ich weiß nicht, wie lange ich diese Freundschaft noch aufrecht erhalten kann. Ich kann nicht mit und ich kann nicht ohne dich. Aber umso mehr du davon profitierst, umso mehr verliere ich mich. Ich lache nicht mehr echt, ich schlafe schlecht, ich bin wütend und traurig innerlich und verbreite schlechte Laune. Du treibst es so weit, dass ich manchmal nichtmal mehr ein Fünkchen Liebe für meinen Hund empfinde, nicht für meine Mama und schon gar nicht für mich. Ich erkalte. Du raubst mir meine Gefühle, meinen Verstand, mein Handeln. Ich weiß, dass du es nicht böse mit mir meinst! Im Gegenteil, du bewahrst mich vor soviel Mist, aber vielleicht meinst du es zu gut mit mir? Ich muss mich doch auch mal Problemen stellen können. Muss doch auch mal lernen mit Stress oder Überforderung klar zu kommen. Ich darf mich nicht jedes Mal in deine Arme werfen, wenn es mir zuviel wird. Aber es so verlockend. Es ist so einfach mich dir hinzugeben und dich handeln zu lassen.
Ich habe nicht mehr die Kraft zum Durchhalten, also übernimmst du das Kommando und ja, ich bin dankbar dafür. Ich brauche jemanden, der mich führt. Allein verliere ich mich in einem undurchdringlichen Chaos. Aber geht das so weiter mit uns, dann bin ich bald nicht mehr. Das, was ich für deine Sicherheit aufgebe ist ein zu großes Opfer, als dass ich es nochmal so lange schaffe. Es tut mir Leid, dass du deine Energie in etwas so Schwaches, wie mich steckst. Es tut mir Leid, dass ich ich bin.
Ich erinnere mich daran, wie ich am Ende meiner Klinikzeit sagte 'Ich freue mich auf zu Hause und was ich mitnehme? Ich nehme mich mit so wie ich wirklich bin.' Aber das hab ich nicht, he? Ich hab bloß eine riesen große Seifenblase voll mit Hoffnungen, Wünschen und Möglichkeiten mitgenomme und sie ist geplatzt und ich bin so tief gefallen und dann warst du da und hast mich wieder aufgefangen..
Ja.. vielleicht sollte ich dir dankbar sein und dich machen lassen. Alles hat im Leben schon seinen Sinn, oder?